Der Lilienthaler Fernrohrbau

 

Die Wirkung und die Funktion von Hohlspiegeln waren bereits im Altertum bekannt.

Für die astronomische Beobachtung wurde neben einer vagen Beschreibung von Leonardo da Vinci eine Spiegel-Linsenkombination erst zu Beginn des 17. Jahrhunderts durch den Jesuitenpater Nicolaus Zucchius eingesetzt.

Um 1660 und 1670 entwickelten James Gregory in England und Laurent Cassegrain in Frankreich optische Spiegelsysteme, deren Prinzip heute noch in der Anwendung ist.

Im Jahre 1668 erfand Isaac Newton den heute vor allen Dingen von Amateurastronomen geschätzten Fernrohrtyp: Das sog. Newton-Teleskop.

Zur bequemeren Beobachtung wird mit Hilfe eines kleinen planen Sekundärspiegels der Brennkegel in der Nähe des Okulars seitlich aus dem Rohr gelenkt.

Die von Johann Hieronymus Schroeter benutzten und zum großen Teil selbst gebauten Spiegelfernrohre waren ohne Ausnahme Newton- Teleskope.

Für große Durchmesser wurden aus technologischen Gründen die Spiegel aus einer Kupfer/Zinn-Legierung gegossen, ihre Oberflächen geschliffen und poliert. Die angestrebte Spiegeloberfläche sollte ein Rotationsparaboloid sein! Der Reflexionsgrad dieser Spiegel lag nicht weit über 50%, da das Aufdampfen von hochreflektierenden Schichten noch nicht möglich war. Auch waren die Farben der beobachteten Objekte von der Politur und dem Spiegelmaterial abhängig.

In Lilienthal wurde erfolgreich versucht, diesem Manko zu begegnen, indem Arsen zugemischt und damit eine weiß glänzende Oberfläche erzielt wurde.

Die kostenintensiven Experimente machte der 1791 aus Kiel für mehr als ein Jahr auf Schroeters Sternwarte ansässige Professor für Physik und Chemie J.G.F Schrader.

Johann Gottlieb Schrader

Johann Gottlieb Schrader, Wachsbossierung von J.Chr.W.Wunderlich (1795)

26-füssiger Reflektor von Schrader (1794)

26-füssiger Reflektor von Schrader (1794)

 

Unter Schrader entstanden in  Lilienthal mehrere 7-füßige, ein  12-füßiges und ein 13-füßiges Fernrohr sowie der erste Spiegel für das 27-füßige Großteleskop. Schrader hat für sich selbst den Spiegel eines 26-füßiges Teleskop in Lilienthal gefertigt. Der Reflektor wurde 1794 an der Kieler Förde aufgestellt.

 

 

 

 

Schrader wollte Spiegelfernrohre nach der von Wilhelm Herschel in England entwickelten Aufstellung nachbauen, die wesentlich preiswerter waren als die Herschelschen Instrumente.

Herschel war an der Wende zum 19. Jahrhundert der einzige Serienhersteller von Newton-Spiegelfernrohren.Schroeter hatte zuvor die Spiegel und die mechanischen Teile für ein 7-füßiges Fernrohr von Herschel gekauft; die Montierung dazu selbst gebaut. Von dem Instrument liegt eine detaillierte Beschreibung vor! (Die Brennweite des Fernrohrs wurde in Fuß angegeben; ein Fuß ca. 30 cm).

 

Zeichnung des 7-füssigen Herschel-Teleskops

Zeichnung des 7-füssigen Herschel-Teleskops von J.H.Schroeter (1788)

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Replikat des 7-füßigen Schrader- Spiegelteleskops von H.-J.Leue aus dem Jahre 2001, Foto E. J. Stracke, AVL

 

D.h. die Nachführung des azimutal montierten Gerätes über eine Zahnstange für die Höhenkorrektur sowie über einen Spindeltrieb für die Kompensation der Erddrehung, der Okulartrieb und die Halterung des Hauptspiegels, sind identisch mit den von Herschel entwickelten kleineren Geräten.

 

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Hebe- und Positionsvorrichtung am Herschel-Teleskop Zeichnung von Dr.-Ing. Felix Lühning

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Okularschlitten mit Fangspiegelhalterung am Herschel-Teleskop – Zeichnung von Dr.-Ing. Felix Lühning

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Haupt-Spiegelhalterung Tubusende am Herschel-Teleskop Zeichnung von Dr.-Ing. Felix Lühning

 

Das „Erstlingswerk“ Schraders ist das für den Legationsrat C.J.W. von Knebel , Hannoverscher Gesandter am Württembergischen Hof in Karlsruhe, gebaute 7-füßiges Spiegelfernrohr, das an der Universität in Jena nach einer wechselvollen Geschichte über G.C.Lichtenberg und A.Kästner in Göttingen, über Karl-Ludwig von Knebel, über Goethe und Schiller in Weimar, die Jahrhunderte überdauert hat und vom Autor zum Kongress der Astronomischen Gesellschaft in Bremen und Lilienthal im Jahre 2000 als einjährige Leihgabe an seinen Entstehungsort zurückgeführt werden konnte. Im Jahre 2001 erstellte der Autor zusammen mit einem Tischler ein gebrauchsfähiges Replikat .

In der Folgezeit nach Schraders Aufenthalt wurden in Lilienthal von dem angelernten Gärtner Harm Gefken mehrere Spiegelteleskope für Fürstenhäuser, Institute und Privatpersonen gebaut sowie der zweite Spiegel für das 27-füßige Teleskop im Amtsgarten in Lilienthal geschliffen. Diese Doublette befindet sich heute im Deutschen Museum in München.

Zeichnung des 27-füßigen Teleskops von J. H. Schroeter

Zeichnung des 27-füßigen Teleskops von J. H. Schroeter (1793)

 

 

 

 

Das 27-füßige Teleskop ist eine Schoetersche Eigenentwicklung, wobei er auf die Konstruktionsmerkmale der Herschelschen Montierung zurückgreift.

In der größten Ausbauphase der Sternwarte standen den Beobachtern mehr als zehn Teleskope zur Verfügung.

 

Hans-Joachim Leue